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14. Februar
Morelia
Michoacán, México Ruth

Archiv Berichte
  Reiche koloniale Silberminenstädte nordwestlich von México City

Am 23. Januar kamen wir in Zacatecas an und quartierten uns im Hostel Villa Colonial ein. Die Stadt gefiel uns auf Anhieb sehr. Zacatecas ist eine Silberminenstadt, mit den grössten Silberminen der Welt und liegt 2500 m ü.M.. Eine Gondelbahn, made in Switzerland, transportiert Leute von der einen Stadtseite zur anderen. Schöne Kolonialbauten findet man in der Altstadt und es herrscht eine tolle Atmosphäre. Das Hostel war eines der schönsten und angenehmsten, welches wir auf unserer Reise je gesehen hatten. Von der Dachterrasse aus genossen wir einen fantastischen Ausblick auf die Stadt. Auf der Terrasse gab es auch eine kleine Küche. Wir kochten meistens dort und verbrachten täglich einige Stunden auf der Terrasse mit anderen Reisenden. Unter anderem lernten wir dort auch Brooks und Gregg aus den USA kennen. Sie sind ebenfalls mit den Fahrrädern unterwegs und steuern das gleiche Ziel an wie wir. Ihre Reise verbinden sie mit einem Spendenprojekt, mit welchem sie Geld für Diabeteskranke sammeln. $ 50´000 wollen sie zusammenbringen, die Hälfte dieses Betrages ist bereits auf dem Spendenkonto eingegangen. David, ein weiterer Radler aus den USA, hielt sich auch im Hostel auf. Auch er hat als Reiseziel Ushuaia in Argentinien gewählt. David besucht unterwegs in den verschiedenen Städten und Dörfern Schulen und informiert die Kinder über das Problem der globalen Erderwärmung.

Morgens wurden wir in Zacatecas nicht wie sonst üblich durch Hundegebell und Gockelgeschrei geweckt, nein, "El Gas" hat uns aus dem Schlaf gerufen. Ein Lieferwagen beladen mit Gasflaschen fährt jeden Morgen mit einem Lautsprecher mehrmals durch die Gassen, spielt immer die gleiche Leier und eine Stimme ruft "El Gas". Er beliefert Privatleute und Geschäfte mit Gasflaschen. Nach ein paar Tagen ging uns das morgendliche Geschrei auf den Geist, vor allem, weil es bereits um 6 Uhr morgens begann. Es kam uns vor wie eine tägliche Gehirnwäsche. In Mexiko wird mit Gas gekocht. Aber sonst fühlten wir uns sehr wohl in Zacatecas. Ursprünglich planten wir einen Aufenthalt von 2 Tagen, daraus wurden aber schliesslich 9 Tage.

In Zacatecas entschlossen sich Horst und ich, uns von Holger zu trennen und die Reise alleine fortzusetzen. Wir genossen zu dritt eine schöne Zeit durch Nordamerika. Im Laufe der Reise stellte sich aber heraus, dass die Interessen, Ansprüche und Vorstellungen doch ziemlich unterschiedlich sind, und wir vermissten eine aktivere Beteiligung von Holger an der Gestaltung der Reise. Wir haben uns im Guten getrennt. Holger hat sich entschieden, die Reise abzubrechen und nach Hause zu fliegen. Wir werden mit ihm in Kontakt bleiben.

Am 30. Januar verliessen wir Zacatecas und fuhren in zwei Tagen über Salinas nach San Luís Potosí, im gleichnamigen Staat. Diese zwei Tage waren alles andere als angenehm, zuviel Schwerverkehr herrschte auf der Strasse. Es gab leider keine andere Alternative, als auf der Hauptstrasse zu fahren, wir mussten in den sauren Apfel beissen und die Strecke hinter uns bringen. Die Innenstadt gefiel uns gut, aber wir verbrachten nur eine Nacht dort. Ab Potosí mussten wir ca. 15 km auf der Autobahn in Richtung Dolores Hidalgo fahren, weil es keine andere Strasse gab. Wir fuhren mit ca. 35 km/h und mit Rückenwind ein paar km, als ich im Rückspiegel plötzlich einen Polizeiwagen mit eingeschaltetem Blaulicht erblickte. Oh Schreck, was will der nun von uns dachte ich mir. Denn ich wusste, dass es eigentlich verboten war, auf dieser Strasse mit dem Fahrrad zu fahren, hatte aber in einem Bikeführer gelesen, dass einem die Polizei normalerweise nichts antut, wenn man als Fernradler auf dem Pannenstreifen fährt. Und tatsächlich, der Wagen fuhr ca. 8 km mit Blinklicht hinter uns her, dann fuhr er plötzlich an die Seite von Horst und fragte, ob alles in Ordnung sei, zeigte auf die nächste Ausfahrt und fuhr davon. Er hatte uns 8 km begleitet und vom Verkehr beschützt. Wir verliessen die Autobahn und konnten glücklicherweise auf einer ruhigeren Strasse bis Goggeron weiterfahren.

Nächste Station war die Stadt Dolores Hidalgo. Dort befanden wir uns bereits wieder in einem neuen Staat, nämlich im Staat Guanajuato. Dolores Hidalgo ist ein kleiner Touristenort und nach dem Helden Dolores Hidalgo benannt, der in diesem Ort seinerzeit die Unabhängigkeit Mexicos von Spanien ausgerufen hat. Die Stadt ist auch bekannt für ihre Töpfereien, wunderschöne grosse farbige Schalen und Blumentöpfe in allen Variationen werden dort kreiert. Im Gästebuch des Hauses, in welchem wir ein Zimmer bezogen, waren auch Namen von Radfahrern eingetragen, die wir in Kanada getroffen hatten, und auch Brooks und Gregg, welche wir in Zacatecas kennenlernten, hielten sich zwei Tage vor unserer Ankunft im gleichen Gästehaus auf. Es ist übrigens sehr interessant, wie sich die Kreise der Radler schliessen, jeder lernt irgendwo jemanden kennen oder hört etwas vom anderen. So erfahren wir unterwegs immer wieder neue Stories von anderen Radlern. Die Welt ist klein.

Von Dolores Hidalgo fuhren wir über die für uns bisher höchste Stelle in Mexiko - 2600 m - nach Guanajuato, eine weitere schöne Kolonialstadt. Sie ähnelt Zacatecas, nur ist sie touristischer mit viel mehr Rummel und Verkehr. Das riesige Unigebäude fällt besonders auf. Jeweils am Wochenende kommen viele auswärtige Jugendliche in die Stadt und besuchen Kurse in der Universität. Deshalb ist die Stadt meistens übers Wochenende voll von Menschen, und entsprechend ist auch der Verkehr in der Innenstadt. Freitag- und Samstagabend ziehen kleine singende Männer-Musikantengruppen durch die Stadt. Die reinen Stimmen dieser Männer hallen in den engen Gassen und erzeugen eine angenehme Athmosphäre. Wir liessen uns 3 Nächte im Casa Bertha nieder. Dort trafen wir auch die Kanadierin Janis und Theres aus der Schweiz, welche wir bereits in Zacatecas im Hostel kennenlernten. Wir verbrachten mit ihnen einen Abend im Café Zilch, in welchem der amerikanische Besitzer Michael mit seinem Cello, zusammen mit Karoline, einer deutschen Violistin, die Kunden unterhielt. Auch im Casa Bertha gab es eine Dachterrasse mit einem super Blick auf die Stadt. Eigentlich wollten wir zwei Wochen in Guanajuato verbringen und Spanisch lernen, doch dieses Vorhaben begruben wir schnell. Die Stadt war uns zu touristisch und die Zimmer- und Schulpreise entsprachen nicht unseren Vorstellungen.

Guanajuato verliessen wir auf einer stark befahrenen Strasse, was sich bis nach Cortazar, unserem gesteckten Tagesziel, nicht änderte. In Cortazar erkundigten wir uns nach längerem Herumkurven in der Stadt bei der Polizei, wo wir übernachten könnten. Ein Polizist lud uns zu sich nach Hause ein. Er musste zu diesem Zeitpunkt mit einer Truppe Kollegen einrücken und die Truppe war gerade dabei, abzufahren. Wir folgten mit unseren Fahrrädern dem Polizeifahrzeug auf der Hauptstrasse, welches mit eingeschaltetem Blaulicht vor uns herfuhr. Auf einem Platz am Stadtrand wechselte die Truppe das Fahrzeug und Agustin, unser Gastgeber, lud zusammen mit einem Kollegen unsere Fahrräder auf die Ladefläche des Polizeiwagens, wir kauerten hinten drauf, dann fuhren sie uns nach Hause ins nächstgelegene Dorf. Agustin und seine Frau mussten aber gleich zur Arbeit gehen. Am nächsten Morgen wartete Agustin in der Küche auf uns. Er lud uns ein, zwei Tage bei ihnen zu verbringen. Es war gerade Constitution Day in Mexiko, ein offizieller Feiertag. Im Dorf, in Parra, dauerte dieses Fest aber nicht nur einen, sondern 3 Tage. Wir entschieden uns, die Einladung anzunehmen. Wir wurden einem Familienmitglied nach dem anderen, erst den Schwestern, dann der Tante, der Grossmutter, dem Bruder usw. vorgestellt. Überall verköstigte man uns. Tequila lehnten wir kategorisch ab. Es gab ein typisches mexikanisches Gericht, sog. Gorditas, bestehend aus Reis, Frijoles (Bohnen), Schweinefleischstücken (zwischen ein paar guten Fleischstücken, waren gegrillte Hautlappen und einige Innereien, die wir unseren Mägen nicht zumuten wollten), dazu gab es warme Tortillas mit einer scharfen Chilisauce. Unsere Mägen waren zum Platzen gefüllt. Die Kommunikation gestaltete sich äusserst schwierig, da wir nicht viel Spanisch konnten, es war anstrengender als eine lange Tagesetappe mit dem Fahrrad. Am Abend unterhielten wir uns mit der Familie zu Hause und die Tochter Luisa zeigte uns zwei Videofilme über ihre Schulfeste. Von Agustin erhielten wir als Erinnerung ein Rennradtrikot und ein MTB-Shirt geschenkt, und Luisa schenkte mir zwei selbstgestrickte Tüchlein.

Am nächsten Tag lernten wir auch noch die Eltern von Agustin kennen. Sein Vater und Luisa begleiteten uns bis an den Dorfrand zur Hauptstrasse. In Gedanken an das in den zwei letzten Tagen Erlebte und voller Motivation fuhren wir weiter Richtung Lago Cuitzeo. In Cuitzeo machten wir Halt und übernachteten hinter der bewachten Pemex-Tankstelle. Frühmorgens fuhren wir wieder los über den Seedamm. Es waren nur noch 40 km, auf einer breiten Strasse mit viel Verkehr, bis zur Millionenstadt Morelia.