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15. Juni
Panama City
Panama
Ruth

Archiv Berichte
  Nicaragua

An der Grenze stand eine lange Menschenschlange. Wir befürchteten, dass wir uns auch in diese Schlange einreihen mussten. Aber nein, es waren Ausreisende von Honduras, die einen Stempel von der Emigration benötigten, um das Land verlassen zu können. Wir hatten wieder einmal Glück, das Prozedere ging schnell. US$ 7 pro Person kostete es.

Von der Grenze Honduras bis Somoto waren es nur wenige km.
In Nicaragua fühlten wir uns sofort viel wohler. Kaum hatten wir die Grenze passiert, lächelten uns die Menschen entgegen, sie schienen auf den ersten Blick offen und herzlich zu sein. Im Hotel Panamericano in Somoto quartierten wir uns ein. Der Nachtwächter Roger sah uns und war sofort begeistert von unseren Rädern. Er leitet den lokalen Radclub in Somoto. Sein Ziel ist es, die Jugend im Ort für den Radsport zu motivieren und sie vom Drogenkonsum abzuhalten, was ein grosses Problem in dieser Gegend sein soll. Roger äusserte gegenüber Gregg am Abend, er möchte uns gerne am nächsten Tag mit seinen Clubkollegen nach Estelí begleiten. Da er aber neben seinem Nachtwächter-Job tagsüber noch auf Baustellen arbeitet, müsste er erst seinen Chef fragen, ob er am nächsten Tag frei bekäme. Die Antwort des Chefs war nein. Roger fragte Gregg, ob wir ihm sein Tageslohn bezahlen würden und er uns begleiten könnte. Sein Stundenlohn beträgt 1 US$. Er fragte noch einen Clubkollegen, ob dieser auch Lust hätte, mitzufahren.. Am nächsten Morgen standen sie früh mit ihrer Rennradausrüstung beim Hoteleingang. Wir radelten zusammen, immer wieder forderte einer den anderen zum Kräftemessen heraus, dabei hatten wir natürlich mit unserem Gewicht am Velo nicht viel zu bestellen. Die beiden waren happy, dass sie uns begleiten durften. In Estelí spendierten wir ihnen noch ein Mittagessen, denn sie mussten die 60 km wieder nach Somoto zurückfahren. Später vernahmen wir, dass sie auf dem Rückweg in ein starkes Gewitter gerieten, Roger auch noch einen platten Reifen hatte und sie aus Zeitgründen schliesslich per Autostop nach Somoto zurückkehrten. Roger musste nämlich am Abend wieder seinen Nachtwächter-Job im Hotel antreten. Die Rennräder, die die beiden besassen, entsprachen der Ausrüstung, die wir vor ca. 20 Jahren hatten, und waren nicht mehr in bestem Zustand.

Von Estelí fuhren wir in zwei Tagen über Ciudad Dario nach Granada. Nachdem wir seit Sunzal in El Salvador 9 längere Etappen ohne Pause gefahren waren, freuten wir uns auf ein paar Ruhetage in Granada. Die Stadt ist touristisch, aber der Aufenthalt lohnt sich, es gibt Einiges zu sehen. Wir verwöhnten uns mit gutem Essen, schlenderten durch die Gassen und den Markt und genossen den angeblich z. Z. weltbesten Kaffee (er war wirklich gut). An einem Tag mieteten wir ein Auto und fuhren nach Matagalpa, ins berühmte Kaffeegebiet von Nicaragua. Der deutsche Luis Elster baute vor ca. 100 Jahren als erster Kaffee in dieser Region an. Heute besteht dort im Selva Negra (das heisst Schwarzwald) ein Hotel mit Restaurant. Es gibt sogar richtige deutsche Weisswürste zu kaufen ... Die Kaffeeplantagen konnten wir nicht besuchen, aber wir spazierten durch den Urwald und hörten das erste Mal das Brüllen der Howler Monkeys (Brüllaffen).

Infos zu: "Deutsche Kaffeebarone in Zentralamerika"

Am 1. Mai wollten wir mit der Fähre auf die Insel Ometepe, die grösste existierende Vulkaninsel in einem Süsswassersee, hinübersetzen. Wir fuhren vergebens zur Fährstation. Dort klärten uns ein paar Einheimische auf, dass wegen des 1. Mai-Feiertages keine Fähre fahre, erst am nächsten Donnerstag würde wieder eine auslaufen. Für uns war somit klar, dass wir 80 km bis zum nächsten Fährhafen fahren würden. Wegen der Hitze verschoben wir die Abfahrt auf den nächsten Tag..

Frühmorgens machten wir uns auf den Weg zum Fährhafen nach San Jorge. Auf der Fähre war auch der smarte Radfahrer Marc aus den USA. Gemeinsam fuhren wir auf der Insel zur Finca Venezia. Von dieser Finca aus bestand die Möglichkeit, mit einem Führer eine 8-stündige Wanderung auf einen Vulkan zu unternehmen. Wir verzichteten aber darauf, weil wir uns so langes Wandern nicht gewohnt sind. Dafür besuchten wir ein nahegelegenes Naturreservat. Am nächsten Tag fuhren wir zum Playa Domingo. Wir kamen uns vor wie in der Südsee, weisser Sandstrand mit Blick auf tropische Pflanzen und Meer, dabei war es ja ein riesiger See. Am Nachmittag fuhren wir mit dem Inselbus über eine grobe Schüttelpiste zur Finca Margaritha, wo sich eine kleine Kaffeeplantage befindet. Ein Einheimischer führte uns durch die Kaffeefabrik. In der gleichen Fabrik wird auch Reis und Mais verarbeitet. Denn nur alleine von Kaffee könnten die Familien nicht existieren. Es war interessant, einmal eine kleine Kaffeeplantage besuchen zu können, eine Cooperative, an welcher ca. 50 Familien beteiligt sind.

Am 5. Mai fuhren wir mit der Fähre, dieses Mal aber mit ordentlichem Wellengang, auf das Festland nach San Jorge zurück. Nur noch 35 km hatten wir bis an die Grenze von Costa Rica zurückzulegen.

Nicaragua ist das zweitärmste Land Zentralamerikas. Trotz der grossen Armut - wir sahen viele bettelnde Strassenkinder - spürten wir in Nicaragua eine gewisse positive Stimmung unter den Menschen. Das Land hat sich von den politischen Problemen und den Folgen des starken Erdbebens etwas erholt. Wie in anderen Ländern, findet auch hier leider ein gewisser Ausverkauf der Heimat statt. Viele Ausländer, vorwiegend Amerikaner und Europäer, kaufen sich günstig Grundstücke. Für die Einheimischen ist es eine Gelegenheit, in kurzer Zeit an viel Geld zu gelangen. Es ist aber auch ein kurzfristiges Denken, denn ihre Nachkommen werden dies in ein paar Jahren zu spüren bekommen. Auf der anderen Seite wird durch die Ausländer eine Infrastruktur aufgebaut und es gibt neue Jobs. Wir hörten aber auch, dass leider der Sextourismus drastisch zunimmt. So hat alles seine Sonnen- und Schattenseiten. Es scheint so, dass Nicaragua ein zweites Costa Rica wird.

Infos zum Verhältnis der EU mit Nicaragua (in englisch)

Bei der Suche nach einigen Details über Nicaragua ist uns folgende Meldung aufgefallen:
"Die Energie-Krise erreichte ihren Höhepunkt am 31. Mai, als insgesamt 130 000 Wohnungen und Geschäfte in 16 Departamentos von Strom-Abschaltungen betroffen waren, von denen manche bis zu zwölf Stunden dauerten und verheerende Folgen sowohl im industriellen und kommerziellen Bereich als auch für einfache Geschäftsleute und normale Bürger hatten. Die Pumpen der nationalen Wassergesellschaft ENACAL, sofern sie sich in Gebieten befanden, die von den Stromabschaltungen betroffen waren, haben die Woche über nicht funktioniert. Das bedeutete, dass eine große Anzahl Wohnungen und Geschäfte in den betroffenen Gebieten weder Wasser noch Elektrizität hatten."
Das passierte nur wenige Tage nach unserer Ausreise nach Costa Rica.

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