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14. April
Antigua
Guatemala
Ruth

Archiv Berichte
  Chiapas ist ein heisses Pflaster

Von Tuxtla ging es wieder in die Berge nach San Cristóbal. Wir blieben hier eine Woche und lernten Einiges über das Leben der Indigenas und die hiesige politische Situation kennen. Wir nahmen an einer organisierten Tagestour teil. Mit einem Van fuhren wir nach Palenque, wo wir eine der interessantesten Maya-Ruinenstädte besichtigten. Die Fahrt dorthin hatte es in sich, auf insgesamt ca. 450 km hin und zurück durch Landwirtschafts- und Dschungelgebiet gab es mit wenigen Ausnahmen nur Kurven und unzählige Bodenschwellen, die sogenannten Topes. Um im Zeitplan zu bleiben, bremste der Fahrer überall ziemlich spät. Bei ein paar Tausend Kurven und anderen Hindernissen, wie auf der Strasse liegende Menschen oder im Dunkeln umherlaufende Pferde, kamen da schon einige Minuten zusammen. Jedenfalls war es spannend, im Dschungel unterwegs gewesen zu sein.

Wir empfehlen allen Radfahrern, die Strecke von San Cristóbal nach Palenque nicht mit dem Fahrrad zu fahren, vor allem von Ocosingo nach Agua Azul. Wir hörten von diversen Überfällen auf Radfahrer in diesem Jahr auf diesem Strassenteil.

Eine Woche in San Cristóbal verbrachten wir nicht nur, weil uns diese Stadt mit den farbenfrohen Häusern, dem Indigenas-Markt und den wunderschönen Gebäuden aus der Kolonialzeit so sehr gefiel, sondern weil wir nicht sicher waren, welche Strecke wir in Richtung Grenze von Guatemala weiterfahren sollten. Wir hörten von so vielen Leuten, dass Ueberfälle auf Touristen in Chiapas und in Guatemala schon bald zur Tagesordnung gehörten. Auch die beiden Amerikaner Radfahrer Gregg und Brooks (www.ribbonofroad.com), welche wir in Zacatecas kennengelernt hatten, wurden auf der Strecke nach Palenque in der Nähe von Agua Azul von maskierten und mit Machettenmessern bewaffneten Banditen überfallen. In San Cristóbal lernten wir in einem Hostel Lorenz, einen Schweizer Tourenradfahrer, kennen. Er wurde auf der Mex 190 Richtung Comitan in gleicher Weise wie die Amerikaner überfallen. Chiapas ist ein heisses Pflaster, es brodelt dort politisch immer. Es ist deshalb ratsam, sich vor einer Reise in dieses Gebiet zu erkundigen, wie die Lage ist. Wir entschlossen uns, den Polizeiposten aufzusuchen und uns nach der Sicherheitslage auf der Mex 190 zu erkundigen. Der eine Beamte stand lächelnd da und fragte uns, ob wir denn Zeit hätten. Es würde mindestens drei Tage dauern um feststellen zu können, ob die Strasse sicher sei. Sein Kollege wurde etwas deutlicher und erklärte uns, wir seien doch Amerikaner, der Dollar habe ja einen hohen Wert, die Polizeibeamten in Mexiko verdienten nicht so hohe Löhne, es sei deshalb auch nicht möglich, uns Sicherheit zu garantieren. Mit dieser Aussage war für uns klar, was sich in diesem Gebiet abspielt, nur mit Geld sind gewisse Dinge zu erkaufen. Wir verliessen den Posten unverzüglich.

Als wir wieder unsere Mailbox checkten, mussten wir mit Bedauern lesen, dass Brooks, der Amerikaner Radfahrer, wegen des Überfalles die Reise in Antigua abgebrochen hat. Er konnte es sich nicht mehr vorstellen, durch Zentralamerika mit dem Fahrrad zu fahren. Sein Freund Gregg fragte uns per Mail an, ob er sich uns irgendwo in Guatemala anschliessen dürfte, weil er nicht alleine weiterfahren wollte.

Am 5. April verliessen wir San Cristóbal mit gemischten Gefühlen. Die ersten 80 km nach Comitán legten wir per Bus zurück und radelten noch am gleichen Tag hügelige 80 km weiter bis an die Grenze von Guatemala nach Ciudad Cuauhtémoc. Bei der Migration liessen wir unsere Pässe abstempeln.

Einerseits bewunderten wir in Mexiko die Menschen, wie sie aus ihrer schwierigen Lebenslage das Bestmöglichste machen. Aus den einfachsten Hütten klang Musik, in vielen Orten wurden Feste gefeiert. Die Mexikaner sind stolze Leute, sie schauen sehr auf ihr Äusseres. Dies kommt besonders bei ihrer Kleidung zum Ausdruck. Wenn wir sahen, wie sie ihre Kleider waschen mussten, wunderten wir uns immer wieder, wie sie es fertig bringen, so toll auszusehen. Andererseits machten wir uns Gedanken, wie es in diesem Land weitergehen wird. Die Städte sind schwer belastet durch Dieselabgase, Abfallentsorgung gibt es keine richtige, wir sahen, wie die Leute auf dem Land ihre Plastikberge vor ihren Häusern verbrannten. Viele Häuser haben keinen Wasseranschluss. Gibt es irgendwo einen See, Bach oder Fluss, wird Wäsche darin mit nicht biologischen Waschmitteln gewaschen und es ist gleichzeitig der Badeplatz.

Von vielen Familien arbeitet der Mann, der Sohn, der Bruder, oder der Cousin in den USA, unzählige davon illegal. Das in den USA verdiente Geld schicken sie nach Hause zu ihren Familien. In den USA werden sie vielfach auch finanziell ausgebeutet, sie arbeiten je nach Job 7 Tage à 10 Std. zu niedrigen Löhnen zum Teil ein Jahr lang ohne einen freien Tag. Das Gehalt ist aber im Verhältnis zu den Verdienstmöglichkeiten, die sie in Mexiko haben, viel höher. Die Existenz vieler Familien in Mexiko, ja sogar ganzer Dörfer, hängt vom Verdienst eines Familienmitgliedes aus den USA ab. Damit werden Familien auseinandergerissen und es gibt zuwenig Männer, die in den Dörfern etwas aufbauen. Von den USA wird auf die lateinamerikanischen Länder ein grosser Druck insbesondere auf die Landwirtschaft ausgeübt. Viele Mexikaner realisieren, dass ihr Land von Nordamerika abhängig ist. Sie sind frustriert darüber und lieben deshalb die Gringos nicht sonderlich.

Unterwegs habe ich oft gezweifelt, ob sich unsere Welt bezüglich Umweltverschmutzung noch zum Besseren wenden kann, wenn solche Verhältnisse herrschen und ich habe mir Gedanken gemacht, wie es wohl in den nächsten Ländern sein wird, die wir durchqueren, da ja Mexiko eines der reicheren und fortschrittlicheren Länder Lateinamerikas ist.

Nach 3 1/2 Monaten verliessen wir das Land der Gegensätze, in welchem Reichtum und bittere Armut nahe beinander sind. Adios Mexiko!